Literaturkreis Buchvorstellung aus dem Literaturkreis
Literarturkreis
Lesen Sie gern? Dann sind Sie bei uns genau richtig! In unserem Literaturkreis, der sich einmal im Monat am dritten Mittwoch, um 19:30 Uhr, im Gemeindehaus, Hinter der Kirche 10 trifft, tauschen wir uns lebhaft über unsere Literatur aus. Meist geben wir uns vier Wochen Zeit, um ein Buch zu lesen. Gerade weil wir so verschieden sind, mögen wir auch ganz unterschiedliche Literatur, so kommen wir eben zu Büchern, die wir sonst im Regal stehen gelassen hätten. Und genau das macht es so interessant.
Geleitet wird unser Kreis von Sabine Scheuermann. Selbst passionierte Leserin und über viele Jahre ehrenamtlich für das evangelische Literaturportal mit zuständig.
Zuletzt haben wir das unten stehende Buch gelesen:
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Marion Lagoda : „Ein Garten über der Elbe“ Roman Penguin TB 382.S 13€
Klappentext:
„Hamburg, 1913: Als Hedda ihre Stelle als Obergärtnerin bei der jüdischen Bankiersfamilie Clarenburg antritt, hat sie es nicht leicht. Auf dem parkähnlichen Anwesen oberhalb der Elbe ist sie die erste Frau auf diesem Posten und wird von den ausschließlich männlichen Kollegen entsprechend kritisch beäugt. Auch körperlich wird ihr viel abverlangt, denn das Anwesen über der Elbe ist riesig, und der Erste Weltkrieg fordert ihr gärtnerisches Können noch einmal besonders heraus. Trotzdem gelingt es Hedda, hier ihren gärtnerischen Traum zu verwirklichen – bis hin zum Amphitheater im römischen Stil, das zum Mittelpunkt prachtvoller Feste und Theateraufführungen wird. Doch als sich in den 1930er Jahren die Zeiten verdüstern, geraten sowohl Hedda, die jüdische Vorfahren hat, als auch die Familie Clarenburg immer mehr in Bedrängnis.“
Leseerlebnis: „Ein Garten über der Elbe“
Da ich oft bei Landschaftsbeschreibung müde werde, war ich beim Aufschlagen des Buches skeptisch.
Um es vorwegzunehmen: Ich bin begeistert. Der Erzählstil der Autorin hat mich gleich gefesselt. Ich konnte mir ihre Planungen der Anlage gut vorstellen, auch wenn ich mir die Hecke, von der so oft die Rede ist, viel abwechslungsreicher vorgestellt habe, als sie nach einem Blick ins Internet zu sehen ist.
Ich denke, der Roman ist gut recherchiert und nimmt uns mit in das Großbürgertum Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts. Die gesellschaftlichen Umbrüche, wie Emanzipation der Frauen, sind manchmal zwar nur angedeutet, aber nachvollziehbar. Beeindruckend auch die Brutalität des 1. Weltkrieges anhand der Liebesgeschichte von Hedda und Lorenz wie im Spiegel zu lesen. Auch wenn wir von heute aus gesehen um das Ende der jüdischen Bankiersfamilie Clarenburg wissen, war das Buch bis zum Ende spannend. Frau Lagoda hat es geschafft, viele gesellschaftspolitische Themen mit dem Werden des Gartens aufzugreifen. Die Emanzipation, die Kinderlosigkeit, Affären, eine Gesellschaft ohne Männer, weil diese im Krieg sind, die Not der 20er, das Erstarken der Nationalsozialisten, die Juden in Deutschland, der Generationskonflikt, und bei allem hatte ich stets den Duft einer Rose in der Nase.
Nach dem Ende des Buches habe ich mir gleich angeschaut, wo der römische Garten in Hamburg Blankenese liegt. Vielleicht können wir als Literaturkreis im Frühjahr einen Ausflug dorthin unternehmen und uns an einigen Stellen aus dem Buch vorlesen?
Ein sehr gutes Buch. Mir sind gleich drei Personen eingefallen, denen ich es schenken oder verleihen werde.
Simone Bremer
Anmerkung: In unseren Gesprächen im Literaturkreis sind die Gedanken von Frau Bremer von allen LeserInnen bestätigt und teilweise noch ergänzt worden. Wir freuen uns schon jetzt auf einen gemeinsamen Ausflug im Frühjahr 2025 in den Garten nach Blankenese.
Sabine Scheuermann
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Emma Stonex: Die Leuchtturmwärter S. Fischer Verlag ; Taschenbuch 14 €
Klappentext:
In der Silvesternacht verschwinden vor der Küste Cornwalls drei Männer spurlos von einem Leuchtturm. Die Tür ist von innen verschlossen, der zum Abendessen gedeckte Tisch unberührt. Die Uhren sind stehen geblieben. Zurück bleiben drei Frauen, die auch zwei Jahrzehnte später von dem rätselhaften Geschehen verfolgt werden. Die Tragödie hätte Helen, Jenny und Michelle zusammenbringen sollen, hat sie aber auseinandergerissen. Als sie zum ersten Mal ihre Seite der Geschichte erzählen, kommt ein Leben voller Entbehrungen zutage – des monatelangen Getrenntseins, des Sehnens und Hoffens. Und je tiefer sie hinabtauchen, desto dichter wird das Geflecht aus Geheimnissen und Lügen, Realität und Einbildung.
Leseerlebnis:
Die Leuchtturmwärter basiert auf einer wahren Geschichte, und ein bisschen ist das sicherlich auch der Grund, warum wir uns im Literaturkreis für dieses vorgeschlagene Buch entschieden haben.
Fast allen fiel es schwer, in die Geschichte einzutauchen. Die Spannung hat sich auch bei mir erst spät eingestellt. Dann aber wollte ich, genau wie alle Teilnehmenden des Literaturkreises, es genau wissen.
Emma Stonex hat die Realität auf dem Festland und die kaum vorstellende Realität im Leuchtturm gut geschildert und hat mich teilnehmen lassen an dem Leben auf engstem Raum mitten im Meer über mehrere Tage, Wochen. Abgründe und Wahnsinn haben mich an der Besatzung teilhaben lassen. Es wird teilweise so geschildert, dass mir als Leser die Perspektive „Was war wirklich geschehen? Was stelle ich mir als Leser nur vor“? zeitweise abhanden kam.
So wie Emma Stonex faszinierend die Naturgewalten des Meeres und die unheimliche Stille des Nebels schildert, hat sie mich mitten in die Gruppe der Leuchtturmwärter gestellt. Der Wahnsinn, der sich dort gemächlich ausbreitet, konnte auch leicht bei mir erzeugt werden.
Wer gerne mysteriöse Krimis liest, dann auch noch basierend auf einer wahren Geschichte, ist gut bedient.
Im Literaturkreis haben wir uns über das Buch länger unterhalten. Kaum eine , einer konnte sich diese Abgeschlossenheit auf einem Leuchtturm für mehrere Tage, ohne dabei seltsam zu werden, vorstellen. Auch die geschilderten Lebenssituationen der Frauen nach dem ungewissen Verschwinden ihrer Männer erzeugte viel Gesprächsstoff.
Ein Buch, das man gerne an der Küste und in der Nähe eines Leuchtturms lesen sollte.
Manfred Scheuermann (Literaturkreis)
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Ernst van der Kwast: "Fünf Viertelstunden bis zum Meer", mare Verlag Hamburg, 2015; 10 €
Klappentext: Juli 1945, ein heißer Sommertag am Strand von San Cataldo, am östlichen Ufer von Italiens Absatz: Fasziniert beobachten die Brüder Ezio und Alberto die Mädchen am Strand, die in hochgeschlossenen Badeanzügen vorbeistolzieren. Bis die 20- jährige Giovanna Berlucchi aus der Brandung auftaucht – in einem Zweiteiler. So etwas haben die Jungen noch nie gesehen. Ezio verliebt sich leidenschaftlich in die schöne Donna Pugliese, und im Laufe dieses Sommers, in dem der Zweiteiler nicht die einzige Offenbarung bleibt, wird er ihr zwei Heiratsanträge machen. Doch Giovanna liebt das Meer und ihre Freiheit, sie hat die „Lunge eines Delphins“ und kann länger tauchen als drei ihrer Schwestern zusammen Auf beide Anträge antwortet sie, indem sie zum Meer läuft und in den Wellen verschwindet. Aus Schmach und Kummer flieht Ezio, so weit er kann, vom Süden in den Norden Italiens. Hier wird er Apfelpflücker, und in den kalten Südtiroler Wintern melkt er Kühe – doch nie vergisst er Giovanna und den gemeinsam verbrachten Sommer am Meer. Über sechs Jahrzehnte sehnt er sich nach seiner ersten und einzigen großen Liebe. Da trifft ein Brief von ihr ein.
Leseerlebnis: Es ist schon erstaunlich, wieviel Leben und Schicksal in dieses „Büchlein“ – es hat nur 96 Seiten – passt. Die Geschichte zweier Menschen, die in jungen Jahren einen leidenschaftlichen Sommer miteinander verleben, wird einfühlsam und dennoch locker, mit leicht erotischem Unterton erzählt. Als Leser kann man sich gut in Sommer, Sonne, Strand à la Italia hineinversetzen, ohne dass es kitschig wirkt. Nach der Trennung prägen Enttäuschung, Sehnsucht, unerfüllte Liebe und auch Einsamkeit beider Leben, bis es nach sechzig Jahren endlich zu einem Wiedersehen kommt. Aber das ist bei weitem nicht alles: eingeschobene Anekdoten zum Schmunzeln, Hinweise auf geschichtliche Ereignisse und insbesondere die Beschreibung der Natur: das Meer, die Gerüche der Südtiroler Apfelbaumplantagen, die wohlige Wärme beim Melken im Kuhstall – alles erzählt in einer poetischen, dennoch klaren Sprache. Wir waren uns einig in unserem Literaturkreis: eine berührende Geschichte, dabei leicht und schnell zu lesen.
Maren Höret